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Thema: HD-Erkrankung bei Deutschen Doggen

Die Zuchtwertschätzung am Beispiel der Hüftgelenksdysplasie beim Hund

Beitrag von Dr. Krautwurst

Artikel zur züchterischen Bekämpfung der HD

Wir danken Herrn Dr. F.Krautwurst für die Genehmigung, den Beitrag zur "Zuchtwertschätzung" in unserer Hompage zu veröffentlichen.
Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes, Fotokopien, Übernahme in eine andere Homepage liegen beim Verfasser und bedürfen dessen schriftlicher Genehmigung.

I. Grundlagenwissen für den Züchter

Populationsgenetische Erkenntnisse haben gegenwärtig in der Hundezucht hinsichtlich Erhaltung und Verbesserung der Erbgesundheit große Bedeutung. Eine erfolgversprechende züchterische Selektion von Defektträgern setzt Kenntnisse zum Vererbungsmodus der betroffenen Merkmale bzw. Eigenschaften voraus. Es wird diesbezüglich im Grundsatz zwischen der Ausprägung so genannter qualitativer - und quantitativer Merkmale bzw. Eigenschaften unterschieden.

Qualitative Merkmale:

Sind umweltstabile Merkmale und Eigenschaften, sie werden von nur einem oder wenigen Genen gesteuert, wobei natürlich jedes Gen mindest zwei Allele aufweist. Dieser qualitative, verhältnismäßig einfache, von der Umwelt nicht oder nur gering zu beeinflussende Vererbungsmodus kann hinreichend nach den Mendelgesetzen gedeutet werden. Merkmale, die diesem einfachen Vererbungsmodus folgen, bezeichnet man deshalb auch als" Mendelsche Merkmale" sie sind klar von einander abgrenzbar und entweder vorhanden oder nicht vorhanden und dadurch in der Regel phänotypisch deutlich zu unterscheiden. Typische qualitative Merkmale stellen z.B. die Fellfarben der Deutschen Doggen dar. Nur noch für wenige Erbkrankheiten, wie z. B. bei der Speiseröhrenerweiterung, wird von einem qualitativen Vererbungsmodus ausgegangen.

Quantitative Merkmale:

Sind mehr oder weniger stark von der Umwelt beeinflussbare Merkmale und Eigenschaften, und haben demzufolge einen niedrigeren Erblichkeitsgrad ( Heritabilität) als qualitative. Sie werden durch eine Vielzahl von Genen gesteuert, deshalb wird dieser Vererbungsmodus auch als Polygenie oder polygen bezeichnet. Erst wenn ein bestimmtes Mindestquantum an Genen (Schwellenwert) erreicht ist kommt es zur Manifestation der Merkmale und Eigenschaften. Die Mehrzahl der Merkmale und Eigenschaften des Hundes sind polygenetisch bedingt, dazu zählen die Körperformen, Leistungsmerkmale einschließlich der Milchleistung der Mutterhündin, das Wesen, die Erbumweltkrankheiten und somit auch die Hüftgelenksdysplasie (HD).

An der Ausprägung der HD sind demnach eine Vielzahl von Genen beteiligt. Erst wenn davon ein bestimmtes Mindestquantum, der sogenannte Schwellenwert erreicht ist, kommt es zur Merkmalsbildung der Krankheit und ihrer röntgenologischen Nachweisführung. Die dabei ermittelten merkmalsfreien Tiere können aber durchaus auch Anlagenträger sein. Im Zusammenhang mit den Vorgängen während der Geschlechtszellbildung und der Befruchtung, kann dann den Nachkommen wieder der erforderliche Schwellenwert, der zur Merkmalsausbildung führt, erreicht werden. Modifizierende Einflüsse der Umwelt können das quantitative Merkmal noch unterschiedlich zur Ausprägung bringen. Der Schwellenwertcharakter des Merkmals HD ist der genetische Hintergrund, weshalb die Selektion allein nach der röntgenologischen Merkmalsbeurteilung nur langsam oder gar nicht zum Erfolg führt. Für eine erfolgreiche züchterische Selektion heißt das konkret, dass nach der phänotypischen Beurteilung der Röntgenaufnahme noch die Ermittlung der Anlagenfreiheit vorgenommen wird. Die Methoden der Molekulargenetik werden dabei in fortschreitendem Maße am sichersten und schnellsten Erkenntnisse erbringen. Für Merkmale, die den qualitativen Vererbungsmodus unterliegen, also nur durch eine überschaubare Anzahl von Genen gesteuert werden, wurden schon große Fortschritte bei der Entschlüsselung des genetischen Codes erreicht. Schwieriger gestaltet sich zurzeit noch die Markierung von Defektgenen, die den polygenetischen Vererbungsmodus unterliegen, wie eben auch die der HD. Das begründet sich darin, dass man es gleichzeitig mit einer Vielzahl von teils noch gar nicht bekannten Genen zu tun hat. Bis zur praxisreifen Anwendungsmöglichkeit molekulargenetischer Methoden werden bereits von über 20 VDH – Zuchtvereinen zur Ermittlung und Bekämpfung des Defektgen Status für HD Zuchtwertschätzungen auf folgender Basis vorgenommen.

II. Zuchtwertschätzung

Der Zuchtwert ist ein Maß für die genetische Qualität des Tieres bzw. Hundes. Er bringt zum Ausdruck, um wie viel die Nachkommen im Bezug auf das betreffende Merkmal besser oder schlechter sein werden als das Mittel der Population. Mit der nur phänotypischen Beurteilung der Zuchttiere bzw. ihrer Merkmale wird definiert wie sie sind, auf ihren Zuchtwert geschätzt hingegen kommt zum Ausdruck, mit welcher Warscheinlichkeit sie die betreffenden Merkmale vererben werden. In der Zucht landwirtschaftlicher Nutztiere arbeitet man seit langem mit populationsgenetischen Verfahren, wie z.B. zur Schätzung der Vererbung der Milchergiebigkeit und deren Inhaltsstoffe beim Rind oder in Form der Mastleistungsprüfung in der Schweinezucht. Diese Methoden sind natürlich nicht einfach auf die Hundezucht zu übertragen, da hier ganz andere Verhältnisse vorliegen, wie unterschiedliche Umweltverhältnisse der Probanden, Generationsintervall im Zusammenhang mit der Nachkommenschaftsprüfung u. a. m.

Für die Zuchtwertschätzung beim Hund wurde deshalb schon vor längerer Zeit von

Prof. C.R. HENDERSON (Cornell University) die sogenannte BLUP – Methode entwickelt. BLUP = Best Linear Unbiased Prediction, zu deutsch – beste lineare unparteiische Vorhersage. Die Datensammlung und deren Errechnung ist nicht unkompliziert, aber durch die nun gegenwärtig ausgereifte Computertechnik gesichert lösbar. Das dürfte auch als Begründung angesehen werden, dass die von HENDERSON entwickelte BLUP – Methode erst in jüngerer Zeit genutzt wird. In Deutschland hat sich besonders Dr. Reiner BEUING von der Universität Giessen um die Einführung und technische Bearbeitung der Zuchtwertschätzung verdient gemacht, dadurch kann das Verfahren in der Rassehundezucht immer mehr Eingang finden.

Die BLUP – Technik gestattet grundsätzlich jedes einzelne Merkmal bzw. Eigenschaft, die ein Rasseverein für wissenswert erachtete in einer einzigen Zahl, der Zuchtwertzahl, für jeden Hund zum Ausdruck zu bringen. Der Zuchtwert beruht demnach auf diesem mathematisch komplexen Verfahren, in das alle erfassten Daten der Vorfahren, die des Probanden, der Seitenverwandten und der Nachkommen einfließen. Dabei sind alle Verwandten bzw. deren Merkmale und Eigenschaften informativ ein Zuchtwert des Probanden, weil sie ja einen Teil der Erbanlagen mit ihnen gemeinsam haben. Der Informationswert ist natürlich vom Grad der Verwandtschaft abhängig und hat bei engen Verwandten einen größeren Aussagewert als bei entfernten, was mit dem mathematischen Berechnungsverfahren für die Zuchtwertzahl Berücksichtigung findet.

Von besonderer Bedeutung ist, dass der errechnete Zuchtwert sich dem tatsächlichen immer mehr annähert, um so mehr Nachkommen und verwandte Tiere zur Berechnung einbezogen werden. Hieraus ergibt sich auch, dass die Zuchtwertzahlen keine Konstante darstellen, sondern ständig, wenn neue Informationen über den HD – Status von Verwandten in die Berechnung einfließen, aktualisiert werden. Weiterhin kommt dadurch zum Ausdruck, dass HD–merkmalsfreie Tiere nicht einfach aus der Zucht ausgeschlossen werden, wenn sie sich über ihre Nachkommen als Anlagenträger für HD erweisen, diesbezügliches Kriterium ist dann ihre Zuchtwertzahl. Diese wiederum ergibt keine Aussage über den Wert eines Hundes als Ganzes, sondern gilt ausschließlich für das betreffende Merkmal.

Vom Grundsatz kann davon ausgegangen werden, dass eine Zuchtwertzahl 100 den Rassedurchschnitt für ein betreffendes Merkmal repräsentiert. Werden Zahlen unter 100 ausgewiesen, so kommt damit zum Ausdruck, dass der Hund das betreffende Merkmal oder die Eigenschaft verringert. Kommen Werte über 100 zustande, so bedeutet das, dass der Hund das Merkmal verstärken kann. Daraus schlussfolgernd ist abzuleiten, dass in Abhängigkeit vom zu prüfenden positiven oder negativen Merkmal die Ergebnisse von über als auch unter 100 erstrebenswert sein können. Bei der HD handelt es sich, wie ausführlich dargestellt, um ein negatives Merkmal, für das Zuchtwert von möglichst unter 100 anzustreben sind, wenn z.B. ein Deckrüde die Zahl 90 aufweist wird er den Status der HD in der Rassepopulation verbessern und ein anderer mit der Zahl 110 wird ihn verschlechtern. Korrekter ausgedrückt bedeutet das, dass ein Hund mit hoher Zuchtwertzahl für HD im Durchschnitt mehr Nachkommen und Seitenverwandte mit festgestellter HD hat als ein anderer mit niedrigerer Zuchtwertzahl.

Nun ergibt sich als nächstes die Frage der züchterischen Nutzung dieser Ergebnisse mit dem Ziele der Verringerung des HD – Status bei den Nachkommen. Diesbezüglich muss gefordert werden, dass die Paarungspartnerwahl so erfolgt, dass der Wert 100 (Rassedurchschnitt) nicht überschritten wird. Dazu kann sich der Züchter den Erwartungswert für seine Welpen aus dem Durchschnitt der Zuchtwerte beider Eltern ganz einfach errechnen.

Beispiel:

Diese Welpen erreichen einen Erwartungswert für die HD von 97 damit würden sie auf Grund der hervorragenden Ergebnisse des Deckrüden, bei Unterstellung, dass der Rassedurchschnitt auf 100 festgelegt ist, diesen um 3 Punkte verbessern. Auch die Mutterhündin kann, um ihr übriges genetisches Potential weiter zu nutzen, noch Zuchtverwendung behalten, allerdings mit der Maßnahme, dass immer Rüden mit Zuchtwerten ab 96 und darunter angepaart werden, damit der Erwartungswert von 100 nicht überschritten wird.

Ein weiteres Beispiel soll noch kurz der Erläuterung dienen und zwar für den Fall, wenn der Erwartungswert zu einer Unterbindung der geplanten Verpaarung führt:

Dieser Wert liegt mit 2 Punkten über dem Rassedurchschnitt mit HD – Befall, deshalb wäre diese Verpaarung nicht zulässig.

Als nächstes bleibt noch festzustellen, dass der jeweilige Rasseverband den notwendigen Zuchtwert für die zur Bearbeitung vorgesehenen Merkmale selbst festlegt. Das ist dann die Voraussetzung für einen verbindlichen Zuchtplan mit entsprechender Paarungsauflage, wenn z.B. der Erwartungswert HD = 100 durch Verbesserung der Ergebnisse in der Rasse als zu hoch erscheint, kann er im Sinne weitere Verbesserung herunter gesetzt werden. Es ist sicher auch einleuchtend, dass alle Ergebnisse einer Zuchtwertschätzung nur dann einen objektiven Charakter annehmen können, wenn auch die erfassten Ausgangsdaten bzw. Eingabedaten so objektiv wie möglich erstellt werden. Diesbezüglich gibt es leider immer noch subjektive Beurteilungen, was für den einen Beurteiler schon ein Merkmalsfehler ist kann ein anderer noch als korrekt ansehen.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass der Rassezuchtverein für Hovawart – Hunde e.V. durch konsequente Einhaltung seines modellhaften Zuchtprogramms erreicht hat, dass die Hovawart – Zuchtpopulation nunmehr weitgehend HD – frei ist.

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